Donnerstag, 22. Februar 2018

Die Entwicklung co-abhängigen Verhaltens

 



Nach den neuesten Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), leben derzeit 1,3 Millionen alkoholabhängige Menschen in Deutschland. Doch nicht nur die Alkoholabhängigen selbst, auch Angehörige sind von deren Suchterkrankung unmittelbar betroffen. Kaum eine Krankheit hat derart große Auswirkungen auf das persönliche Umfeld der Betroffenen und kaum eine Krankheit beeinflusst auf derart destruktive Weise andere mit. Alkoholismus verändert das Verhalten, die Persönlichkeit und die Gesundheit des Menschen massiv je länger die Sucht besteht. 
Alkohol vergiftet im wahrsten Sinne des Wortes Körper, Geist und Seele gleichermaßen. 

Jeder, der es mit einem Alkoholiker emotional oder sozial zu tun hat, bekommt dies zu spüren. Ist in der Familie ein Alkoholkranker, ist das ganze System erkrankt. Ist in der Beziehung einer Alkoholiker, krankt die ganze Beziehung. Angehörige von Alkoholikern leiden unter den Auswirkungen des Trinkens ebenso wie der Trinker selbst, nur anders. Sie wollen helfen, ihn retten, ihn beschützen, in um-und versorgen und geraten dabei in einen Kreislauf von Hilflosigkeit, Ohnmacht, Wut und Verzweiflung bis hin zur Selbstaufgabe. Die Suchtkrankheit und ihr stetiges Fortschreiten führen schleichend und in mehreren Phasen zu einem co-abhängigen Rollenverhalten bei den Angehörigen, die ihr Leben immer mehr auf das Verhalten des Suchtkranken ausrichten. Ein Teufelskreis, denn genau das co-abhängige Verhalten erhält die Sucht mit aufrecht, nur dass es nun zwei oder mehrere sind, die unter ihr leiden. 

Sucht ist Siechtum - alle die betroffen sind oder mitbetroffen sind, gehen an ihr auf lange Sicht zugrunde, gelingt es nicht die Reißleine zu ziehen. 

Man kann sich das Leben mit einem Alkoholiker wie eine Fahrt in einem sinkenden Boot vorstellen - es wird untergehen, samt aller Insassen. Alkoholismus mündet in psychische, physische und soziale Beeinträchtigungen, Störungen und Schädigungen. Der Alkoholiker kann seine Rolle als Teil der Gemeinschaft nicht mehr wahrnehmen. Darüber hinaus verändern sich auch die Psyche und die Gefühlswelt des Alkoholabhängigen. Seine emotionale Gestimmtheit und sein emotionales Erleben fahren Achterbahn, von euphorisch über unruhig, gereizt, aggressiv bis hin zu selbstmitleidig, ängstlich und depressiv. Ist die Alkoholkrankheit erst einmal fortgeschritten, kann der Alkoholiker sie nicht mehr stoppen, er bleibt ohne professionelle Hilfe lebenslang ein Alkoholiker. 

Beide, der Alkoholiker und der Co-abhängige sind sich dessen oft nicht bewusst und das ist das Fatale an der Konstellation – der Alkoholiker leugnet seinen Zustand und glaubt lange Zeit er hat es „im Griff“, der Co-abhängige glaubt das selbe. Der einzige aber der es im Griff hat, ist der Alkohol und zwar Beide. 

Co-abhängigkeit ist ein sensibles Thema. Meist sind es Frauen, die Symptome von co-abhängigem Verhalten zeigen. Dies wird von den Betroffenen meist nicht wahrgenommen und wird es wahrgenommen, wird es nicht selten ebenso verschwiegen wie die Alkoholsucht des Partners. Für die Betroffenen ist es beschämend zuzugeben, dass sie ihr Leben mit einem Alkoholiker teilen, ein Leben das für Menschen, die das nicht erlebt haben, unvorstellbar destruktiv und kräftezehrend ist.
Der Begriff der Co-Abhängigkeit kam erstmals in den 70er Jahren in Amerika auf. Geprägt wurde er von den Betroffenen selbst. 

Was ist typisch für co-abhängiges Verhalten?
Charakteristisch für das Verhalten Co-abhängiger ist, dass ihr gesamtes Denken, Fühlen und Handeln sich auf das Suchtmittel und den Süchtigen fokusiert. Der Co-abhängige versucht die Sucht des Angehörigen als Geheimnis zu bewahren und tut alles um es nicht nach außen dringen zu lassen. Er nimmt mehr und mehr dem Suchtkranken die Verantwortung für sich und sein Verhalten ab. Er entschuldigt oder rechtfertigt das Verhalten, auch wenn es ihm selbst Schaden zufügt. Er versteckt den Alkohol oder entsorgt ihn, entschuldigt den Süchtigen beim Arbeitgeber und unterstützt ihn finanziell. Er übernimmt alle Aufgaben, die der Süchtige nicht mehr bewältigen kann. Mit anderen Worten – er mutiert zum Überwacher und zum Versorger des Suchtkranken auf allen Ebenen des Lebens, die dieser nicht mehr bewältigen kann. Das Leben des Co-Abhängigen mit einem Alkoholiker ist geprägt von Beschuldigungen, bitteren Vorwürfen, heftigen Auseinandersetzungen, aggressiven Ausbrüchen und tragischen Szenen. Mit der Zeit kommt es zum Vertrauensverlust und zur emotionalen Entfremdung, kurz: Das Leben mit dem Suchtkranken ist eine Belastung schwerster emotionaler, geistiger und körperlicher Art für alle Beteiligten.

Viele Co-Abhängige fühlen sich nicht selten für den Konsum des Süchtigen verantwortlich. Sie suchen die Schuld für dessen Trinken bei sich selbst, weil sie nicht fähig sind den Süchtigen trotz aller Liebe und Fürsorge zu retten. Dabei versucht der Co-abhängige zu kontrollieren was sich in Wahrheit nicht kontrollieren lässt und ist überzeugt davon, wenn er sich noch mehr anstrengt, das sinkende Boot doch noch am Versinken hindern zu können. Haupttriebfeder für das Handeln des Co-Abhängigen ist die Angst den suchtkranken Menschen zu verlieren. All diese Denk-und Verhaltensweisen entstehen zu Beginn der Beziehung mit einem Alkoholiker beim Versuch das Problem zu lösen. Es dauert eine Zeit bis es dann zu dem oben beschriebenen Verhalten kommt. Dabei spielen sich beide – Süchtiger und Co-abhängiger aufeinander ein – ihr Verhalten und ihr Interaktionsmuster ergänzen sich und machen eine Veränderung zum Besseren hin unmöglich. 

Es kommt zu einer gegenseitigen Abhängigkeit – der Alkoholiker ist abhängig vom Alkohol, der Co-abhängige ist abhängig vom Alkoholiker – aber im Grunde sind beide abhängig von ein und derselben Substanz: dem Alkohol, der die Macht über das gemeinsame Leben hat, das mehr und mehr dem Kontrollverlust entgegentreibt und in eine Achterbahn der Gefühlswelt rast, deren Affekte zwischen Liebe und Hass, Verständnis und Verachtung, Mitleid und Ohnmacht schwanken.
Was beide am Anfang für Liebe hielten ist keine Liebe. Ein Alkoholiker kann nicht lieben. Er hat seine Selbstliebe verloren oder nie gehabt. Was er für "Liebe" hält bezieht sich lediglich auf die Funktionen, die der andere für ihn erfüllt. Liebe basiert auf einer repsektvollen, liebevollen, wertschätzenden, fruchtbaren Interaktion zwischen zwei eigenständigen Persönlichkeiten, die einander achten und sich gut tun wollen. 

In einer co-abhängigen Beziehung ist aber genau das nicht der Fall: Der Alkoholabhängige achtet und wertschätzt sich selbst nicht. Er kann keine Liebe für sich fühlen, wie soll er sie da für andere aufbringen? Der Co-abhängige verlernt im Laufe der Beziehung sich selbst zu schätzen oder er vermochte es noch nie. Was unter dem illusionären Deckmantel der Liebe geschieht ist nichts anderes als gegenseitige Abhängigkeit zweier neurotischer Persönlichkeiten, die sich verzweifelt aneinanderketten, aus Angst alleine im Leben nicht bestehen zu können. Letztes ist beim Alkoholiker auch wahr. Er wird, hört er nicht auf zu trinken, alleine schneller untergehen als mit dem Co-abhängigen an seiner Seite, der ja alles für ihn regelt, was er nicht mehr schafft. Der Co-abhängige aber kann es alleine schaffen, denn im Grunde ist er in der Beziehung längst allein. Er erhält kaum Unterstützung vom Alkoholiker, der sich ja ständig um sich selbst und sein Suchtmittel dreht. 

Was sich nicht ändern will, lässt sich nicht ändern! Sobald der Co-abhängige dies klar erkannt hat, ist er bereit dazu sich Hilfe zu suchen und das zu ändern, was in seiner Macht legt: sich selbst. 
  
Zum Konzept der Co-abhängigkeit gibt es haufenweise Theorien und Definitionen, die von der Co-Abhängigkeit als Suchtkrankheit bis hin zur Beziehungsstörung reichen. Manche definieren Co-Abhängigkeit als krankes Verhalten, das nur im Zusammenhang mit Alkoholismus auftritt, andere beschreiben Menschen mit co-abhängigem Verhalten als Beziehungsabhängige oder lediglich als jemanden, der längere Zeit mit einem Alkoholiker zusammenlebt. Die meisten Konzepte aber gehen davon aus, dass ein Mensch mit co-abhängigem Verhalten selbst süchtig ist und zwar danach das eigene schwache Selbstwertgefühl oder die unbewusst empfundene Wertlosigkeit durch das Sorgen für einen anderen, schwächeren Menschen zu kompensieren und eigene Defizite abzuwehren. In manchen Fällen trifft dies zu, in anderen nicht. 

Menschen sind nicht alle über einen Kamm zu scheren, ebensowenig wie es allgemeingültige Ursachen für co-abhängiges Verhalten und Abhängigkeit gibt.  Neueste Studien ergaben, dass es für die Entwicklung co-abhängigen Verhaltens genügt, dass Betroffene mit einem Alkoholiker das Leben teilen. Sie belegen auch, dass es für die Entwicklung einer Co-abhängigkeit keiner typischen Persönlichkeitsstruktur bedarf.  

Es gibt sie also nicht die typischen Co-abhängigen, aber es gibt das typisch co-abhängige Verhalten. Jeder kann da hineinrutschen, auch wenn er keine sogenannten „abhängigen Persönlichkeitsmerkmale“ aufweist. Denn auch wenn diese Persönlichkeitsmerkmale zu Beginn einer Beziehung mit einem Alkoholiker anfangs nicht vorhanden sind, erreichen es viele Süchtige im Laufe der Zeit, den Partner solange unter emotionalen Druck zu setzen und zu manipulieren, bis sie dazu werden. Ist ein Mensch in die Co-abhängigkeit hineingerutscht ist es allerdings wichtig und hilfreich nach den individuellen Gründen zu suchen, die dazu geführt haben, um nicht wieder und wieder in die gleiche Falle zu tappen.



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Osho über Alkohol: die Kunst, sich selbst zu betrügen



Das ist sehr symbolisch. Wenn du betrunken bist fällst du zurück, du bildest dich zurück, du wirst wieder zu einem kleinen Jungen. Doch dieses Zurückfallen ist kein Wachstum.

Du bist damals zu einem kleinen Jungen geworden, nicht indem du zurückgefallen bist, sondern indem du gewachsen bist, nach vorne, nach oben. Indem du zurückfällst wirst du kindisch. Indem du zurückfällst wirst du nichts gewinnen, du wirst verlieren.
Im Zurückfallen wird dein ganzes inneres System verkrüppelt werden. Dann siehst du außen wie ein Erwachsener aus und innen bist du nur ein kleiner Junge. Kein Kind, sondern kindisch. Nicht unschuldig, sondern sehr gerissen und schlau.


Und die Gerissenheit sitzt so tief, dass du nicht etwa die anderen austrickst, sondern dir selbst, deinem eigenen Bewusstsein Streiche spielst, deiner eigenen Zukunft.



Mit deinen schlauen Tricks verspielst du deine eigenen Möglichkeiten. 
Du fällst zurück, entwickelst dich zurück.
Drogen machen einen Stein aus dir.


Du kannst völlig bedröhnt sein. Im Westen gibt es das Wort ’stoned‘ (engl.: bekifft). Das ist sehr gut, du wirst wie ein Stein. Du bist wie ein Stein und alle Möglichkeiten sind verloren. Du bist auf der untersten Stufe der Leiter angelangt, direkt am Boden. Und dann wirst du hilflos, hilflos im negativen Sinn, ein Schwachkopf. Du benimmst dich wie ein Idiot, und weißt nicht, was du tust.


Du bist nicht, tatsächlich bist du einfach abwesend, deine Geistesgegenwart ist verloren gegangen. In dir existiert jetzt kein Zentrum. Du bist – ohne Richtung, ohne innere Ausrichtung. Wenn du in diesem Moment stirbst, wirst du dir nicht einmal darüber bewusst sein, dass du tot bist. Was immer in diesem Moment geschieht, du wirst es nicht wissen. Du bist nicht. Das ist ein abwesender Geisteszustand. Du bist völlig nach unten gefallen, du hast den Boden erreicht.


Nach unten zu sinken ist einfach. Und Seelen genießen es, denn alles was einfach ist genießt du. Keine Anstrengung wird gebraucht. Du brauchst keinen Weg zu folgen, von deiner Seite brauchst du nichts zu tun. Du brauchst dich nicht zu kümmern, du brauchst nichts zu denken – du fällst einfach. Das ist genau das, was Aussteigen bedeutet.



Du fällst aus der ganzen Anstrengung der Evolution heraus. Du bist nicht mehr Teil einer wachsenden Existenz, du bist nicht mehr Teil einer sich ständig entwickelnden Göttlichkeit. Du hast alles verloren.

Dieser Zustand ist der schlimmste überhaupt.



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